
Adam Caruso und Helen Thomas (Herausgeber) – Rudolf Schwarz and the Monumental Order of Things
Theorie„Rudolf Schwarz and the Monumental Order of Things“ ist eine Monografie zu Werken des Architekten Rudolf Schwarz, herausgegeben von Adam Caruso und Helen Thomas. Der Band ist 2020 in zweiter Auflage beim gta Verlag in Zürich erschienen. Der Verlag ist an das Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH Zürich angeschlossen. Die beiden Herausgeber geben eine kurze Einführung ins Werk des Architekten, wobei sie versuchen, zwischen dem Architekten Schwarz und dem Architekturtheoretiker Schwarz – Autor der Werke „Vom Bau der Kirche“ und „Von der Bebauung der Erde“ – eine Grenze zu ziehen. Das Werk Schwarz‘ wir in drei Gruppen gegliedert: 1. „Interwar Churches“; 2. „Post-war Churches“ und 3. „Public Buildings“. Dabei nimmt die zweite Abteilung naturgemäß den größten Raum ein, da der Kirchenbau nach dem 2. Weltkrieg in Schwarz‘ Schaffen die Hauptrolle spielt. Das Buch ist aufwändig gestaltet, mit zahlreichen großformatigen Fotografien der Werke Rudolf Schwarz‘. Darüber hinaus liefert der Band in einem Abschnitt – „Building Files“ – sehr schöne, neu erstellte Zeichnungen einiger der besprochenen Bauten. Darin liegt der eigentliche Mehrwert dieser Publikation.
Als Zwischenspiele sind verschiedene Texte eingefügt. Einmal ein bereits publizierter Text des Architekten aus den 50er Jahren in englischer Übersetzung: „Architecture of Our Times“ („Die Baukunst er Gegenwart“). Weiter folgt eine Einordnung der beiden Herausgeber mit dem Titel „History Lost and Regained“. Schließlich steuert Wolfgang Pehnt einen Text bei, unter der Überschrift „Another Modern“, in dem er seine These von der „Anderen Moderne“ vertritt. Gemeint ist eine Moderne jenseits des „internationalen Stils“. Wolfgang Pehnt gilt allgemein als der Experte für das Werk Rudolf Schwarz‘. Der Text ist eine „Spolie“ aus Pehnts Monografie zu Schwarz „Rudolf Schwarz 1897-1961. Architekt einer anderen Moderne“.
Schwarz‘ Text „Die Baukunst der Gegenwart“ ist unter anderem eine Auseinandersetzung mit der Geschichtlichkeit von Architektur. Eine Beschäftigung also mit der Tatsache, dass Bauten die Zeiten überdauern und sich daraus gewisse Konsequenzen ergeben. Zum Beispiel, was ist erhaltenswert, was nicht? Dienen Bauten der Vergangenheit als Vorbilder für die Gegenwart? Kann man den Erfolg eines Bauwerks wiederholen, indem man bestimmte Elemente kopiert? Gibt es zeitlose Architektur? Was heißt „modern“? Das sind unter anderem Fragen der Denkmalpflege und des Historismus, die Schwarz vor dem Hintergrund des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg in einem abhandelt.
Den Kern seiner eigenen Haltung bildet der Begriff des “Lebendigen”. Bauten sind nur insofern gerechtfertigt, als sie dem Vollzug des Lebens dienen. „Only someone for whom a work from an earlier period is part of the living present, who has learned to listen to what it says and respond to it in their own work, is capable of doing justice to it.“ (Seite 43) Aus dieser Perspektive stellt sich die Frage nach der „Modernität“ von Gebäuden etwas anders. Nur in der Kunst und in der Architektur, vielleicht noch in den Geisteswissenschaften und der Literatur, scheint das Prädikat „modern“ eine besondere Qualität zu beschreiben. In anderen Disziplinen würde man sich über die Auszeichnung „modern“ eher wundern. „[…] and when one looks at architecture as a whole, it seems quite possible that the term ‘modern architecture’ is as well merely talk” (Seite 45) Geistesgeschichtlich ist der Begriff der Moderne mit dem Skeptizismus und der Vereinzelung des Subjekts seit Descartes verbunden und in dieser Richtung will ihn auch Rudolf Schwarz verstehen. Damit sieht Schwarz den Begriff in einer viel weiteren Auslegung als es ein kunstgeschichtlicher Gattungsbegriff je sein kann. Trotzdem steckt im Begriff der architektonischen „Moderne“ ein Widersinn, da dieser einerseits einen historischen Umbruch in der Architekturgeschichte zwischen den Weltkriegen bezeichnet, andererseits eine bestimmte Qualität des Architektonischen, einen bestimmten Stil.
Pehnts Text beschäftigt sich im ersten Abschnitt mit der Frage nach dem Wiederaufbau der zerstörten katholischen Kirchen nach dem 2. Weltkrieg. In dieser Frage bezieht Schwarz eindeutig Position für einen interpretierendes Erhalten bestehender Bausubstanz, was die Wiederverwendung historischen Baumaterials miteinschließt. Er wendet sich damit gegen die detailgetreue Rekonstruktion der zerstörten Bauten. Das ist eine Debatte, die in Deutschland bis in die Gegenwart nachwirkt, wenn man zum Beispiel an die aktuelle Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt denkt.
Der zweite Abschnitt dreht sich um die in den 50er Jahren geführte Bauhaus-Debatte. Im Kern dieser Auseinandersetzung steht die „Frage nach der Technik“. Ziel von Schwarz‘ Kritik ist die Technikgläubigkeit der Moderne in ihrem cartesianisch-mechanistischen Ansatz. Gegenüber technizistischen Idealen versucht er die stoffliche Wirklichkeit zu stärken. Gegen die rationale Form setzt Schwarz die erdige Wirklichkeit des Materials. Eine Kritik, die noch heute Gültigkeit hat. Dass sich die Positionen des klassischen Bauhauses mit der „weißen Kiste“ letztlich durchgesetzt haben und uns bis in die Gegenwart verfolgen macht Schwarz Position nicht weniger wichtig – im Gegenteil!
Im dritten Teil seines Textes liefert Pehnt eine Reihe von Miniaturen zu einzelnen Kirchen, die Schwarz nach dem 2. Weltkrieg gebaut hat. Zentrales Werk ist für ihn, wie für viele andere, St. Anna in Düren. Im Grunde ist dieser Abschnitt eine Zusammenfassung der von Schwarz in „Kirchenbau. Welt vor der Schwelle“ selbst gegebenen Beschreibungen seiner Sakralbauten. Diese Texte aus dem Buch „Kirchenbau“ werden hier ebenfalls den Zeichnungen am Ende des Bandes in englischer Übersetzung mitgegeben. Letztlich liefert Pehnts gesamter Text eine historische Einordnung und mehr nicht. Aus dem Gesagten geht lediglich hervor, dass die direkt nach dem Krieg geführten Diskussionen bis heute nachwirken, aber an den eigentlichen Fragestellungen der Architektur seltsam vorbeilaufen. Pehnts Betrachtung des schwarzschen Kirchenbaus erschöpft sich daher mehr oder weniger in der narrativen Aufzählung einzelner Werke.
Den textlichen Abschluss bildet ein Gespräch, das Maria Conen mit der Architektin Maria Schwarz geführt hat, die als Zeitzeugin aus der gemeinsamen Praxis berichtet. Auch dieses Gespräch kreist vor allem um den Kirchenbau St. Anna in Düren. Insofern scheinen sich zumindest alle darin einig, was die Bedeutung dieses Werks betrifft.
Der eigentliche Wert dieses Prachtbandes liegt tatsächlich in den in der zweiten Hälft gegebenen Zeichnungen. Es handelt sich um wirklich sehr schöne, neu erstellte Pläne, vermutlich aus dem Hause Caruso St John. Hierfür wird auch genügend Raum gelassen, was ich sehr gut finde. Dadurch kann man einige der bedeutenderen Werke von Rudolf Schwarz bis ins Detail studieren. Die Zeichnungen fallen mit einem Maßstab von 1:150 recht groß aus, was eben jene Detailschärfe zulässt. Zu fast allen hier dargestellten Bauten gibt es Grundriss, Schnitt und verschiedene Ansichten, so dass man zusammen mit den opulenten Fotografien – die keine geringere als Hélène Binet besorgt hat – aus dem ersten Teil einen sehr guten Gesamteindruck der Werke erhält. Besonders für St. Anna in Düren sind diese Pläne sicher recht hilfreich für das Verständnis des Baus.