Die Aufsatzsammlung „The Feeling of Things“ des britischen Architekten Adam Caruso (die eine Hälfte der Architektenpartnerschaft Caruso St John) ist 2008 beim Verlag Ediciones Polígrafa in Barcelona erschienen. Der Band enthält 14 kleine Schriften und ein Interview.
Das Büchlein ist mir neulich beim Aufräumen wieder in die Hände gefallen. Eine Notiz im Einband zeigt, dass ich es 2013 erstanden habe. Ich kann mich erinnern, dass ich damals sehr enttäuscht war über dieses Buch, versprach der Titel „The Feelings of Things“ doch einen phänomenologischen Ansatz in der Architekturreflektion eines aufstrebenden Architekten. Mindestens hatte ich Meditationen über das eigene Schaffen im Sinne von Peter Zumthors „Architektur denken“ erwartet. Jetzt, 2020, ist seit dem Erscheinen des Bändchens mehr als eine Dekade vergangen und beim zweiten Durchlesen haben sich mein erster Eindruck und die damit verbundene Enttäuschung leider nur verfestigt.
Zurecht kritisiert Caruso die Tendenz in der Architektur, sich immer stärker zu ökonomisieren, beziehungsweise allein betriebs- und marktwirtschaftliche Argumente gelten zu lassen. Das betrifft nahezu alle Felder der Architekturproduktion, insbesondere aber Bauten aus dem Dienstleistungssektor, der „Corporate Architecture“ und dem gewerblichen Wohnungsbau. Einher geht diese Tendenz der Ökonomisierung der Architektur mit dem Drang nach dem „Immer Neuen“. Es gibt auf beiden Seiten – der Seite der Auftraggeber, ebenso wie der Architekten – einen vom Marketing getriebenen Funktionalismus anderer Ordnung. Was zählt, ist die Operation am Rande der Machbarkeit. Was fehlt ist Architektur, die in sich überhaupt so angelegt ist, dass sie beispielsweise in Würde altern kann. Modernität verflacht zur Mode.
Gleichwohl muss man feststellen, dass es eine junge Architektengenerationen gibt, die sich bewusst von der sich selbst vermarktenden Star-Architektur abwendet und immer häufiger nach lokalen, unspektakulären Lösungen sucht, bei denen nicht die Wiedererkennbarkeit einer Architektenhandschrift im Vordergrund steht, sondern projektspezifische, experimentierfreudige Lösungen, die mehr dem Stofflichen als dem Formalen zugewandt sind. Insofern ist Carusos Kritik vielleicht bereits etwas überholt und trifft nicht zuletzt die eigene Praxis des Büros Caruso St John, denen man zu Recht einen höchst wiedererkennbaren, graphischen Ansatz vorhalten könnte.
Ganz schön ist der titelgebende Aufsatz „The Feeling of Things“. Hier wird in klitzekleinen deskriptiven Miniaturen der Versuch unternommen einzelnen Phänomenen und Phänomenfeldern des Architekturereignisses auf die Spur zu kommen. Es geht um konkrete bauliche Typologien in London in ihrer Wirkung auf den Betrachter. Caruso schreibt über die Anmutung einer Terracotta-Fassade und eine kleine Kirche in Stockholm. Bei einem kurzen Versuch bleibt es leider dann auch. Von diesen Texten hätte ich mir mehrere und ausführlichere gewünscht.
Zum Abschluss noch eine kleine Beobachtung zur Edition dieses Büchleins: Man muss sich vor Augen halten, dass das Büro „Caruso St John“ in seinen Arbeiten einem detailversessenen Formalismus frönt, der in seiner intrinsischen Logik keinerlei Raum für Unschärfen, geschweige denn Fehler, lässt. Dies im Hinterkopf und die höchst bibliophile Aufmachung des Büchleins vor Augen, stößt es mir dann doch quer auf, wenn in einem Text über flämische Architektur in Belgien, in den Bildunterschriften zu den entsprechenden Werken, Gent und Brügge plötzlich in Holland liegen. Wenn man derart groß aufschlägt, sollte man doch schauen, dass alles sitzt.
Alles in allem halte ich den Band für etwas kurzatmig und gleichzeitig überkandidelt. Zu viel gewollt ist bekanntlich nichts gewollt. Ich bezweifle nicht, dass Adam Caruso etwas zu sagen hat. Leider ist das in derart kurzen Streifzügen gar nicht möglich. Es bedürfte also einer größeren Anstrengung die hier gegebenen Postulate ordentlich zu (be-)gründen.