06.08.2022

Vincent van Duysen – Works 2009-2018

Von
Praxis

„Vincent Van Duysen – Works 1989-2009“ ist 2020 als Reprint einer Werkausgabe von 2018 beim Verlag Thames & Hudson in London und New York erschienen. Julianne Moore und Nicola die Battista liefern jeweils eine kurze Einführung. Marc Dubois gibt ein kurzes Nachwort.

Der zweite Band der Werkschau des Architekten Vincent van Duysen, ist wie der erste ein klassisches „Coffee-Table-Book“. Es werden 34 Projekte und Produktdesigns gezeigt. Zwischen den einzelnen Projekten gibt es dieses Mal keinen lästigen Text. Der Band konzentriert sich auf die fotografische Darstellung der Projekte. Die Bilder sind wieder ausgezeichnet und werden in ihrer etwas unterkühlten Atmosphäre dem klaren Minimalismus der Bauten gerecht, obwohl die größtenteils in schwarz-weiß gehaltenen Aufnahmen an mancher Stelle die tiefe Materialität im Werk van Duysens nicht immer optimal wiedergeben. Die Zeichnerische Darstellung der Werke lässt immer noch zu wünschen übrig, ist allerdings deutlich besser als im ersten Band.

Van Duysen behält zwar seinen Hang zum wohlgestalteten Interieur bei, man sieht jedoch deutlich die Entwicklung hin zu einem ganzheitlichen architektonischen Konzept. Im ersten Band hätte man ihn noch für einen Innenarchitekten halten können. Auch im zweiten Band finden sich zahlreiche wunderbar ausgestaltete Innenräume. Sogar der Innenausbau für eine Expeditionsyacht ist darunter. Ob vorgefundene bauliche Struktur oder vollständig neu entworfenes Ensemble, der architektonische Raum steht im Vordergrund und das interieur ist nur ein stimmiger Teil davon. Van Duysens Gestaltung endet nicht an der Oberfläche des architektonischen Objekts, vielmehr wird der architektonische Raum bis zu den letzten Details im Ausbau durchgestaltet, ohne dass der Raum dadurch – wie das so oft der Fall ist – zwanghaft determiniert würde.

Virtuos spielt van Duysen mit den atmosphärischen Qualitäten des Materials. Kontraste und Stimmungswechsel beleben seine Räume. Verschiedene Materialien werden gezielt gegeneinander gesetzt: glatt gegen rau, hart gegen weich, warm gegen kalt. Er arbeitet mit geschlemmten Ziegeln, und hoch glatten Putzoberflächen, mal rauen und mal hochveredelten Holzoberflächen, kühle Natursteinverkleidungen und -beläge kommen zum Einsatz, dann wieder rau geschalter Beton. Nur bei der Jugendherberge in Antwerpen vergreift sich van Duysen im Ton. Die Herberge hat den Charme einer Privatbank – wenig einladender, unterkühlter Funktionalismus beherrscht hier die Atmosphäre.

Zwei bis drei Projekte kann man vielleicht aus der Masse herausheben, die zumindest mir besonders gut gefallen. Da ist einmal das Haus BS in Zwevegem, Belgien, Umbau und Erweiterung eines bestehenden Gehöfts auf dem platten Land in Belgien. Zwei Scheunen wurden zum Einfamilienhaus umgebaut, das lokale Backsteinmauerwerk wird neu interpretiert. Es entstehen großzügige Innenräume mit Bezug zum Innenhof und der umgebenden Landschaft. Geschlossene Volumen gliedern den Grundriss im Erdgeschoss, der bewohnte Raum fließt offen zwischen diesen hindurch und öffnet sich in verschiedenen Perspektiven in die ländliche Gegend. An manchen Stellen bleibt das alte Dachtragwerk der Bestandsgebäude sichtbar. Ein weiteres Projekt mit vergleichbarem Ansatz ist das Haus DC II in Tielrode, Belgien. Es ist vermutlich das bekannteste Werk des Architekten und wurde dementsprechend vielfach schon publiziert. Ebenfalls im ländlichen Belgien gelegen, handelt es sich um die Wiedererstellung eines Gebäudekomplexes auf den ursprünglichen „Fußabdrücken“ der Gebäude. Obwohl die Formen strikt kubisch modern sind, machen die Gebäude durch die dunkle Holzverschalung, das 45° Satteldach und das Detail der großen Schiebetore einen landwirtschaftlichen Eindruck und fügen sich dadurch unscheinbar in die Umgebung ein. Materiell präsentieren sich diese Volumen nach außen als Einheit, indem die Holzverschalung bis zum First hochgezogen wird. Es entsteht ein dreiseitig durch klare Volumen gefasster Innenhof. Der Innenraum wird wieder über Massive Außenwände und geschlossene Kuben aufgespannt und fließt zwischen diesen „Blöcken“ hindurch in den Außenraum. Als letztes möchte ich noch van Duysens eigenes Umbauprojekt in Antwerpen hervorheben. Es handelt sich um die Erweiterung des eigenen Wohnhauses des Architekten bis hinein in den historischen Dachstuhl. Mit. Wenigen gezielten Eingriffen schafft van Duysen ein großräumiges Loft, das atmosphärisch durch das Eichengebälk des Dachstuhls und der Dachschalung geprägt wird. Das Material wird im Bodenbelag durch einen Antikholzboden in Eiche gespiegelt. Einen Kontrast liefern die unverputzten Ziegelwände am Kniestock. Alle dienenden Einrichtungen, inklusive Badewanne, verschwinden in einer roh verschalten Schrankwand. Es entsteht ein archaisch anmutender, aber sehr gemütlicher Dachraum, der verschiedenen Funktionen gerecht wird: Wohnen, Arbeiten, Gästezimmer in einem.

Bei van Duysen gefällt mir besonders, dass er in einem gewissen Sinne zwar seinen eigenen Stil pflegt, dass aber trotzdem jedes Werk eine eigene Sprache spricht und so eine eigene Herangehensweise zeigt und so differenziert auf die gegebene Situation reagiert. Was mich überrascht hat, ist die Tatsache, dass es in diesem zweiten Band keine Arbeit gibt, die ich grundsätzlich in Frage stellen würde. Alle Arbeiten und Projekte zeichnen sich durch eine hohe gestalterische Qualität aus. Zusammen mit dem ersten Band der Reihe hat man einen wunderbaren Überblick über das Schaffen und die Entwicklung dieses großen belgischen Baumeisters.